Der erste Resilienz-Faktor, der zu einem Lebensstil der Widerstandsfähigkeit beiträgt ist: eine ausgesöhnte Vergangenheit und emotionale Stabilität. Ein lieber Freund von mir, Günter Refle, ein Philosoph und Berater hat es so beschrieben: „Wer sich seiner eigenen Geschichte nicht bewusst ist, wer das nicht akzeptiert und sie umarmt, seine Gegenwart nicht wirklich genießen, kann seine Zukunft kaum sinnvoll planen. Wer in seiner Vergangenheit aufgrund ungelöster negativer Erfahrungen steckt, hat nicht genug Energie, um einen gesunden Lebensstil der Belastbarkeit und emotionalen Stabilität zu bauen.“

Natürlich sage ich nicht, dass es das Ziel sein muss, alles aus unserer Vergangenheit zu „lösen“, oder dass wir in der Lage sein müssen, alles zu sammeln, zu versöhnen und hinter uns lassen. Wir alle sind Menschen und als solche mit unseren persönlichen Grenzen konfrontiert.

Eine versöhnte Vergangenheit beginnt mit dieser Annahme: „Ich bin ein Mensch, im Laufe meines Lebens ich habe viele schöne Erfahrungen aber auch Niederlagen erlitten.“ Jeder hat es mit einer bestimmten persönlichen Verletzlichkeit zu tun. Die Frage ist: habe ich den Mut, mich meiner Verletzlichkeit zu stellen und zu sagen: Dies ist meine persönliche Verletzlichkeit, es ist ein Teil von mir. Aus meinem christlichen Hintergrund bin ich bereit, einen Schritt weiter zu gehen. Ich übernehme Verantwortung, wo es angemessen ist, und verzeihe mir. Und ich vergebe auch anderen, die Verletzlichkeit in meinem Leben verursacht haben!

Eine persönliche Verletzlichkeit von mir ergibt sich aus der Tatsache, dass ich einen erstaunlichen Vater gehabt habe. Aber er starb, als ich 17 war. Es dauerte viele Jahre und viele Bewusstseins-Prozesse bevor ich das voll und ganz akzeptieren und dies annehmen konnte. In meinen 40-ern waren die meisten Facetten dieses Prozesses soweit abgeschlossen, was es mir ermöglichte, in einer positiven Weise damit umzugehen. Das ist eine Quelle der Inspiration für mich geworden und ich genieße es mehr als je zuvor, selbst Vater zu sein.

Eine versöhnte Vergangenheit bedeutet nicht nur, mit der eigenen Verletzlichkeit umzugehen, sondern es bedeutet ebenso sehr, die eigenen Erfolge und erstaunliche persönliche Geschichten und Erfahrungen wieder zu entdecken. Die nächste Übung ist eine gute Möglichkeit, um beide Aspekte (Verletzlichkeit und Erfolge) zu erinnern und Bausteine für ein gesundes Leben zu entwickeln:

  1. Teilen Sie Ihre Vergangenheit in vier gleich große Perioden.
  2. Beschreiben Sie mindestens 2 Erfolgsgeschichten für jede Periode (so dass Sie insgesamt 8 Erfolgsgeschichten haben).
  3. Hinter jeder Geschichte verstecken sich verschiedene Fähigkeiten, dass Sie angewandt haben. Notieren Sie alle und wählen Sie Ihre 5 – 7 am häufigsten angewandten Fähigkeiten. Dies sind offenbar jene Fähigkeiten, die Sie sehr oft benötigen und in Ihrer persönlicher Geschichte immer wieder erscheinen.
  4. Beschreiben Sie eine persönliche Krise in jeder Periode. Denken Sie darüber nach, wie etwas schief lief und wie Sie Verletzungen erlitten.
  5. Nun versuchen Sie, diese vier Geschichten in Lektionen zu übersetzen, die Sie daraus gelernt haben. Oft lehrt Sie Ihr eigenes Leben die wichtigsten Lektionen. Fassen Sie diese Lektionen in 5 – 7 (für Sie wichtigen) Lektionen des Lebens zusammen.

Diese fünf kleinen Übungen sind Schritt 1. In Schritt 2 teilen Sie dieses Ergebnis einem vertrauten Freund mit. Darüber zu reden, macht viele Dinge klarer/realistischer. Bitten Sie ihn/sie um ein generelles Feedback. Schritt 3 besteht darin, ihre 5 – 7 Fähigkeiten in Ihrem täglichen Leben häufiger anzuwenden. Es wird Ihnen mehr Energie geben und helfen, Ihre Belastbarkeit und emotionale Stabilität zu stärken. Versuchen Sie durch die 5 – 7 Lektionen Ihres Lebens zu verstehen, wie Sie Ihr Leben an Werten ausrichten können, die Ihnen wichtig sind. Dies könnte auch bedeuten, sich selbst und anderen in Ihrem Leben und ihrer Vergangenheit zu verzeihen.